Dritter Abschnitt


 

Das Verfahren

II. Das Verfahren vor dem Prisenhof


Artikel 29

   (1) Sobald der Reichskommissar die Sach- und Rechtslage für ausreichend geklärt hält, leitet er das prisengerichtliche Verfahren durch Übersendung der Akten an den Prisenhof ein.

   (2) Haben die in Ausübung des Prisenrechts getroffenen Maßnahmen nicht zu einer Einbringung geführt ¹) oder ist die Prise nach der Einbringung freigegeben worden, so kann der Reichskommissar von der Einleitung des prisengerichtlichen Verfahrens absehen, wenn Entschädigungsansprüche bei ihm nicht gestellt oder durch Vergleich oder Zurücknahme erledigt worden ist.


¹) Vgl. Anmerkung zu Art. 26


Artikel 30

   (1) Der Vorsitzende des Prisengerichts leitet das Verfahren und erläßt die dazu erforderlichen Verfügungen.
   (2) Er ernennt für jede Sache einen Prisenrichter, der die Befähigung zum Richteramt hat, zum Berichterstatter.


Artikel 31

   (1) Der Vorsitzende des Prisenhofs macht die Einleitung des Verfahrens durch eine Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger bekannt; er bestimmt darin gleichzeitig eine Frist, innerhalb welcher die Beteiligten bei Vermeidung des Ausschlusses vom Verfahren ihre Anträge bei dem Prisenhof einzureichen haben.
   (2) Die Frist gilt auch für die Beteiligten, die bereits im vorbereitenden Verfahren bei dem Reichskommissar Ansprüche geltend gemacht haben.
   (3) Die Frist darf nicht weniger als einen Monat und soll in der Regel nicht mehr als drei Monate betragen. Sie beginnt mit dem Tage nach der Veröffentlichung im Deutschen Reichsanzeiger.
   (4) Bekannte Beteiligte sollen besonders benachrichtigt werden.


Artikel 32

   (1) Bei Verfahren wegen einer Kursanweisung, die nicht zur Aufbringung geführt hat, und bei Verfahren wegen Aufbringung oder Beschlagnahme einer Prise, vor ihrer Einbringung freigegeben worden ist, findet eine Veröffentlichung nach Artikel 32 Abs. 1 nicht statt.
   (2) Den Beteiligten, die bei dem Reichskommissar Ansprüche auf Entschädigung aus Fällen der im Abs. 1 genannten Art innerhalb der im Artikel 86 der Prisenordnung vorgesehenen Frist geltend gemacht haben, wird von dem Vorsitzenden des Prisenhofs eine Frist gestellt, innerhalb welcher sie bei Vermeidung des Ausschlusses vom Verfahren ihre Anträge auf Entschädigung bei dem Prisenhof einzureichen haben. Die Frist beginnt mit dem Tage nach der Zustellung an den Beteiligten.
   (3) Soweit Ansprüche auf Entschädigung bei dem Reichskommissar erst nach Ablauf der im Artikel 86 der Prisenordnung vorgesehenen Frist geltend gemacht worden sind, stellt der Prisenhof das Verfahren ein. Der Beschluß ist mit der Beschwerde anfechtbar.


Artikel 33

   (1) Die Anträge der Beteiligten können nur auf Freigabe oder Entschädigung gerichtet sein.
   (2) Sie müssen begründet sein und die Angabe der Beweismittel enthalten.


Artikel 34

   (1) Die Anträge der Beteiligten müssen von einem mit schriftlicher Vollmacht versehenen, bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
   (2) Auch im weiteren Verfahren vor dem Prisenhof müssen die Beteiligten durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten sein. Derjenige Rechtsanwalt, der den Antrag nach Abs. 1 eingereicht hat, gilt als Bevollmächtigter, bis der Beteiligte dem Prisenhof die Bestellung eines anderen Bevollmächtigten anzeigt.


Artikel 35

   (1) Ist ein Beteiligter durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle an der rechtzeitigen Einreichung seiner Anträge bei dem Prisenhof verhindert gewesen, so ist ihm auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
   (2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Anmeldefrist (Artikel 31) gestellt werden.
   (3) Gegen den die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluß des Prisenhofs ist die Beschwerde zulässig.


Artikel 36

   (1) Feindliche Staatsangehörige werden als Beteiligte nur zugelassen, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist ¹). Über die Zulassung entscheidet der Prisenhof.
   (2) Gegen den Beschluß ist die Beschwerde zulässig.


¹) Vgl. auch Art. 87 der PO.


Artikel 37

   (1) Nach Ablauf der Anmeldefrist leitet der Vorsitzende die Akten dem Reichskommissar zur Stellung seiner Anträge zu.
   (2) Der Reichskommissar hat die Akten innerhalb eines Monats mit seinen Anträgen zurückzugeben. Die Frist kann auf Antrag verlängert werden.


Artikel 38

   (1) Soweit frist- und formgerechte Anträge Beteiligter nicht eingegangen oder soweit solche Anträge durch Vergleich oder Zurücknahme erledigt sind, kann der Reichskommissar die Einstellung des Verfahrens beantragen, wenn die in Ausübung des Prisenrechts getroffenen Maßnahmen nicht zu einer Einbringung geführt haben¹) oder die Prise nach der Einbringung freigegeben worden ist.
   (2) Die Entscheidung kann durch Beschluß erfolgen. Gegen den Beschluß ist die Beschwerde zulässig.


¹) Vgl. Anmerkung zu Art. 26


Artikel 39

   (1) Soweit nicht nach Artikel 38 Einstellung erfolgt, hat der Vorsitzende des Prisenhofs nach Eingang der Antrage des Reichskommissars einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuerkennen.
   (2) Der Reichskommissar und die Bevollmächtigten der Beteiligten sind zu dem Termin von Amts wegen zu laden.


Artikel 40

   (1) Dem Reichskommissar ist die Einsicht in die Akten zu gestatten.
   (2) Den Bevollmächtigten der Beteiligten ist die Einsicht in die Akten zu gestatten, wenn der Reichskommissar zustimmt. Der Reichskommissar kann seine Zustimmung nur insoweit versagen, als es die Belange der Wehrmacht erfordern. Der Prisenhof darf bei seiner Entscheidung solche Tatsachen nicht zuungunsten der Beteiligten werten, deren Kenntnis er nur aus den Teilen der Akten erlangt hat, die den Bevollmächtigten der Beteiligten nicht zugänglich gemacht worden sind.


Artikel 41

   (1) Die mündliche Verhandlung ist öffentlich.
   (2) Der Prisenhof kann die Öffentlichkeit für die ganze Verhandlung oder für einen Teil ausschließen, wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit zu besorgen ist.


Artikel 42

   Die Vorschriften der §§ 176 bis 180 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Sitzungspolizei finden entsprechende Anwendung.


Artikel 43

   (1) Bei der mündlichen Verhandlung wird ein beeidigter Protokollführer zugezogen.
   (2) Die Vorschriften der §§ 159 bis 163a der Reichszivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung.


Artikel 44

   (1) In der mündlichen Verhandlung trägt der Berichterstatter den Sach- und Streitstand nach Lage der Akten vor.
   (2) Alsdann werden der Reichskommissar sowie die Bevollmächtigten der Beteiligten mit ihren Anträgen und Ausführungen gehört. Gegenausführungen sind zulässig. Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel ist gestattet.
   (3) Soweit Beteiligte in der mündlichen Verhandlung nicht durch Bevollmächtigte vertreten sind, entscheidet der Prisenhof über die nach den Artikeln 33 und 34 gestellten Anträge auf Grund des vorliegenden Beweismaterials.


Artikel 45

   Auf Antrag oder von Amts wegen kann ein Termin verlegt, eine Verhandlung vertagt und ein Termin zur Fortsetzung der Verhandlung bestimmt werden.


Artikel 46

   (1) Soweit der Prisenhof die Erhebung weiterer Beweise hinaus für erforderlich hält, erfolgt sie durch den Prisenhof, einen von ihm beantragten Prisenrichter oder einen ersuchten Richter.
   (2) Der Reichskommissar und die Bevollmächtigten der Beteiligten sind von dem Beweistermin zu benachrichtigen.
   (3) Auf die Beweisaufnahme finden die §§ 355 bis 444, 478 bis 494 der Reichszivilprozeßordnung entsprechende Anwendung.


Artikel 47

   Bei der Beratung gibt der Berichterstatter als erster, der Vorsitzende als letzter seine Stimme ab. Im übrigen stimmt der an Lebensalter jüngere Prisenrichter vor dem älteren.


Artikel 48

   (1) Die Entscheidung erfolgt nach der absoluten Mehrheit der Stimmen.
   (2) Bei Stimmgleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.


Artikel 49

   (1) Das Urteil wird in öffentlicher Sitzung verkündet. Die Verkündung erfolgt durch Verlesung der Urteilsformel.
   (2) Das Urteil muß mit Gründen versehen sein.
   (3) Wird die Verkündung der Entscheidungsgründe für angemessen erachtet, so erfolgt sie durch Verlesung der Gründe oder durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts.
   (4) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt.


Artikel 50

   (1) Beschlüsse können ohne mündliche Verhandlung erlassen werden.
   (2) Urteile sowie nicht verkündete Beschlüsse sind dem Reichskommissar und den Bevollmächtigten der Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.


Artikel 51

   (1) Das Urteil des Prisenhofs wird erst nach Eintritt der Rechtskraft durchgeführt.
   (2) Das Zeugnis der Rechtskraft wird von dem Vorsitzenden von Amts wegen erteilt; es wird dem Reichskommissar sowie den Bevollmächtigten der Beteiligten zugestellt.


Artikel 52

   Die Durchführung der Urteile des Prisenhofs liegt dem Reichskommissar ob.


Artikel 53

   (1) Auf das Verfahren bei Zustellungen finden die Vorschriften der Reichszivilprozeßordnung über Zustellungen von Amts wegen entsprechende Anwendung. Die Zustellungen können auch durch eingeschriebenen Brief gegen Rückschein erfolgen.
   (2) Zum Nachweis der Zustellung an den Reichskommissar genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis des Reichskommissars.

 


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