Art.1. Die militärischen Lazarettschiffe, das heißt die
Schiffe die vom Staate einzig und allein erbaut oder eingerichtet worden sind,
um den Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen Hilfe zu bringen, und deren
Namen beim Beginn oder im Verlauf der Feindseligkeiten, jedenfalls aber vor
irgendwelcher Verwendung, den kriegsführenden Mächten mitgeteilt werden, sind
zu achten und dürfen während der Dauer der Feindseligkeiten nicht weggenommen
werden.
Auch dürfen diesen Schiffe bei einem Aufenthalt in neutralen
Häfen nicht als Kriegsschiffe behandelt werden.
Art.2. Lazarettschiffe, die ganz oder zum Teile auf Kosten
von Privatpersonen oder von amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften neutraler
Staaten ausgerüstet worden sind, sind zu achten und von der Wegnahme
ausgeschlossen, sofern die kriegsführende Macht, der sie angehören, eine
amtliche Bescheinigung für sie ausgestellt und ihre Namen dem Gegner beim
Beginn oder im Verlaufe der Feinseligkeiten, jedenfalls aber vor irgendwelcher
Verwendung, bekanntgemacht hat.
Diese Schiffe müssen eine Bescheinigung der zuständigen
Behörde darüber bei sich führen, daß sie sich während der Ausrüstung und beim
Auslaufen unter ihrer Aufsicht befunden haben.
Art.3. Lazarettschiffe, die ganz oder zum Teile auf Kosten
von Privatpersonen oder von amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften neutraler
Staaten ausgerüstet worden sind, sind zu achten und von der Wegnahme
ausgeschlossen unter der Bedingung, daß sie sich der Leitung eines der
Kriegsführenden selbst unterstellt haben und daß dieser ihren Namen zu Beginn
oder in Verlaufe der Feindseligkeiten, jedenfalls aber vor irgendwelcher
Verwendung, dem Gegner bekanntgemacht hat.
Art.4. Die in den Artikeln 1, 2, 3 bezeichneten Schiffe
sollen den Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Kriegsführenden ohne
Unterschied der Nationalität Hilfe und Beistand gewähren.
Die Regierungen verpflichten sich, diese Schiffe zu
keinerlei militärischen Zwecken zu benutzen.
Diese Schiffe dürfen in keiner Weise die Bewegungen der
Kriegsschiffe behindern.
Während des Kampfes und nach dem Kampfe handeln sie auf ihre
eigene Gefahr
Die Kriegsführenden üben über sie ein Aussichts- und
Durchsuchungsrecht aus; sie können ihre Hilfe ablehnen, ihnen befehlen, sich zu
entfernen, ihnen eine bestimmte Fahrtrichtung vorschreiben, einen Kommissar an
Bord geben und sie auch zurückhalten, wenn besonders erhebliche Umstände es
erfordern.
Die Kriegsführenden sollen die den Lazarettschiffen
gegebenen Befehle soweit wie möglich in deren Schiffstagebuch eintragen.
Art.5. Die militärischen Lazarettschiffe sind kenntlich zu
machen durch einen äußeren weißen Anstrich mit einem waagerecht laufenden, etwa
anderthalb Meter breiten grünen Streifen.
Die in den Artikeln 2, 3 bezeichneten Schiffe sind kenntlich
zu machen durch einen äußeren weißen Anstrich mit einem waagerecht laufenden,
etwa anderthalb Meter breiten roten Streifen.
Die Boote dieser Schiffe sowie die kleinen, zum
Lazarettdienste verwendeten Fahrzeuge müssen durch ähnlichen Anstrich kenntlich
gemacht sein.
Alle Lazarettschiffe sollen sich dadurch erkennbar machen, daß
sie neben der Nationalflagge die in dem Genfer Abkommen vorgesehene weiße
Flagge mit dem roten Kreuze und außerdem, sofern sie einem neutralen Staate
angehören, am Hauptmaste die Nationalflagge des Kriegsführenden, dessen Leitung
sie sich unterstellt haben, hissen.
Lazarettschiffe, die gemäß Artikel 4 vom Feinde
zurückgehalten werden, haben die Nationalflagge des Kriegsführenden, dem sie
unterstellt sind, niederzuholen.
Wollen sich die vorstehend erwähnten Schiffe und Boote auch
während der Nacht den gebührenden Schutz sichern, so haben sie mit Genehmigung
des Kriegsführenden, den sie begleiten, die notwendigen Vorkehrungen zu
treffen, damit der sie kenntlich machende Anstrich genügend sichtbar ist.
Art.6. Die im Artikel 5 vorgesehenen Abzeichen sollen sowohl
in Friedens als auch in Kriegszeiten nur zum Schutze und zur Bezeichnung der
dort erwähnten Schiffe gebraucht werden.
Art.7. Im Falle eines Kampfes an Bord eines Kriegsschiffs
sollen die Lazarette tunlichst und geschont werden.
Diese Lazarette und ihre Ausrüstung bleiben den
Kriegsgesetzen unterworfen, dürfen aber ihrer Bestimmung nicht entzogen werden,
solange sie für Verwundete und Kranke erforderlich sind.
Gleichwohl kann der Befehlshaber, der sie in seiner Gewalt
hat, im Falle gewichtiger militärischer Erfordernisse, darüber verfügen, wenn
er zuvor den Verbleib der darin untergebrachten Verwundeten und Kranken
sichergestellt hat.
Art.8. Der den Lazarettschiffen und den Schiffslazaretten
gebührende Schutz hört auf, wenn sie dazu verwendet werden, dem Feinde zu
schaden.
Als geeignet, um den Verlust des Schutzes zu begründen, soll
weder die Tatsache gelten, daß das Personal dieser Schiffe und Lazarette zur
Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verteidigung der Verwundeten oder Kranken
bewaffnet ist, noch die Tatsache, daß sich eine funktelegraphische Einrichtung
an Bord befindet.
Art.9. Die Kriegsführenden können den Wohltätigkeitssinn der
Führer neutraler Kauffahrteischiffe, Jachten oder Boote anrufen, damit sie
Verwundete oder Kranke an Bord nehmen und versorgen.
Fahrzeuge, die diesem Anrufe, nachkommen, ebenso wie solche,
die unaufgefordert Verwundete, Kranke oder Schiffbrüchige aufgenommen haben,
genießen einen besonderen Schutz und bestimmte Vergünstigungen. In keinem Falle
können sie wegen einer solchen Beförderung weggenommen werden; sie bleiben
jedoch, sofern ihnen nicht ein anderes versprochen ist, im Falle von
Neutralitätsverletzungen, deren sie sich etwa schuldig gemacht haben, Wegnahme
ausgesetzt.
Art.10. Das geistliche, ärztliche und Lazarettpersonal
weggenommener Schiffe ist unverletzlich und kann nicht kriegsgefangen gemacht
werden. Es ist berechtigt, beim Verfassen des Schiffes die Gegenstände und
chirurgischen Instrumente, die sein Privateigentum sind, mit sich zu nehmen.
Es soll jedoch seine Dienste so lange weiter leisten, als es
notwendig erscheint, und kann sich erst dann zurückziehen, wenn der oberste
Befehlshaber es für zulässig erklärt.
Die Kriegsführenden sind verpflichtet, diesem Personale,
wenn es in ihre Hände fällt, dieselben Bezüge und dieselbe Löhnung zuzusichern
wie dem Personale gleichen Dienstgrads der eigenen Marine.
Art.11. Die an Bord befindlichen Marine- und Militärpersonen
sowie andere den Marinen oder Heeren dienstlich beigegebene Personen sollen,
sofern sie verwundet oder krank sind, von dem, der das Schiff nimmt, ohne
Unterschied der Nationalitäten geachtet und versorgt werden.
Art.12. Jedes Kriegschiff einer Kriegspartei kann die
Herausgabe der Verwundeten, Kranken oder Schiffbrüchigen verlangen, die sich an
Bord von militärischen Lazarettschiffen, von Lazarettschiffen einer
Hilfsgesellschaft oder einer Privatperson, von Kauffahrteischiffen, Jachten und
Booten befinden, welches auch die Nationalitäten dieser Fahrzeuge sei.
Art.13. Wenn ein neutrales Kriegsschiff Verwundete, Kranke
oder Schiffbrüchige an Bord genommen hat, so muß soweit wie möglich dafür
gesorgt werden, daß diese nicht wieder an den Kriegsunternehmungen teilnehmen
können.
Art.14. Schiffbrüchige, Verwundete oder Kranke eines
Kriegsführenden sind Kriegsgefangene, wenn sie in die Gewalt des anderen
Kriegsführenden fallen. Es bleibt diesem überlassen, den Umständen nach darüber
zu befinden, ob sie festzuhalten oder ob sie nach einem Hafen seiner Nation,
nach einem neutralen Hafen oder selbst nach einem Hafen des Gegners befördert
werden sollen. Im letzten Falle dürfen die so in ihre Heimat entlassenen
Kriegsgefangenen während der Dauer des Krieges nicht mehr dienen.
Art.15. Schiffbrüchige, Verwundete oder Kranke, die mit
Genehmigung der Ortsbehörde in einem neutralen Hafen ausgeschifft worden sind,
sollen, sofern nicht zwischen dem neutralen Staate und den kriegsführenden
Staaten ein andres vereinbart ist, durch den neutralen Staat derart bewacht
werden, daß sie nicht wieder an den Kriegsunternehmungen teilnehmen können.
Die Kosten der Pflege und der Unterbringung sind von dem
Staate zu tragen, dem die Schiffbrüchigen, Verwundeten oder Kranken angehören.
Art.16. Nach jedem Kampfe sollen die beiden Kriegsparteien,
soweit es militärische Zwecke gestatten, Vorkehrungen treffen, um die
Schiffbrüchigen, Verwundeten und Kranken aufzusuchen und sie, ebenso wie die
Gefallenen, gegen Beraubung und schlechte Behandlung zu schützen.
Sie sollen darüber wachen, daß der Beerdigung, Versenkung
oder Verbrennung der Gefallenen eine sorgfältige Leichenschau vorangeht.
Art.17. Jeder Kriegsführende soll sobald als möglich die bei
den Gefallenen aufgefundene militärische Erkennungsmarken und Beweisstücke der
Identität sowie ein Namensverzeichnis der von ihm aufgenommenen Verwundeten
oder Kranken deren Landesbehörden oder den Dienstbehörden ihrer Marine oder
ihres Heeres übermitteln.
Die Kriegsführenden sollen sich über die Unterbringung von
Kranken und Verwundeten, die sich in ihrer Gewalt befinden, und den Wechsel in
der Unterbringung sowie über ihre Aufnahme in die Lazarette und die
vorkommenden Sterbefälle gegenseitig auf dem laufenden Stand halten. Sie sollen
alle zum persönlichen Gebrauche bestimmten Gegenstände, Wertsachen, Briefe
usw., die auf den genommenen Schiffen gefunden oder von den in Hospitälern
sterbenden Verwundeten oder Kranken hinterlassen werden, sammeln, um sie durch
deren Landesbehörden den Berechtigten übermitteln zu lassen.
Art.18. Die Bestimmungen diese Abkommens finden nur zwischen
den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegsführenden sämtliche
Vertragsparteien sind.
Art.19. Die Oberbefehlshaber der Flotten der Kriegsführenden
haben für die Einzelheiten der Ausführung der vorstehenden Artikel und für
nicht vorgesehene Fälle gemäß den Weisungen ihrer Regierungen und im Sinne
dieses Abkommens zu sorgen.
Art.20. Die Mächte, die unterzeichnet haben, werden die
erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Bestimmungen dieses Abkommens ihren
Marinen und besonders dem geschützten Personale bekanntzumachen und sie zur
Kenntnis der Bevölkerung zu bringen.
Art.21. Die Mächte, die unterzeichnet haben, verpflichten
sich gleichermaßen, im Falle der Unzulänglichkeit ihrer Strafgesetze die
erforderlichen Maßnahmen treffen oder ihren gesetzgebenden Körperschaften
vorzuschlagen, um in Kriegszeiten die von einzelnen begangenen Handlungen der
Beraubung und der schlechten Behandlung von Verwundeten und Kranken der Marinen
mit Strafe zu belegen sowie um den unbefugten Gebrauch der im Artikel 5
vorgesehenen Abzeichen durch die von diesem Abkommen nicht geschützten Schiffe
als Anmaßung militärischer Abzeichen zu bestrafen.
Sie werden sich durch Vermittlung der Niederländischen Regierung
diese Strafbestimmungen spätestens in fünf Jahren nach der Ratifikation dieses
Abkommens gegenseitig mitteilen.
Art.22. Finden Kriegsunternehmen zwischen Land- und
Seestreitkräften der Kriegsführenden statt, so sollen die Bestimmungen dieses
Abkommens nur für die eingeschifften Streitkräfte Anwendung finden.
Art.23-28. Schlussbestimmungen.