Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, der
Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika usw.
in der Erwägung, daß in den
in diesem Abkommen nicht vorgesehenen Fällen die allgemeinen Grundsätze des
Völkerrechts zu berücksichtigen sind,
in der Erwägung, daß es wünschenswert ist, wenn die Mächte
genaue Vorschriften erlassen, um die Rechtsfolgen der von ihnen eingenommenen
Neutralitätsstellung zu regeln,
in der Erwägung, daß es eine anerkannte Pflicht der
neutralen Mächte ist, die von ihnen angenommenen Regeln auf die einzelnen
Kriegsführenden unparteiisch anzuwenden,
in der Erwägung, daß von diesem Grundgedanken aus solche
Regeln im Laufe des Krieges von einer neutralen Macht grundsätzlich nicht
geändert werden sollen, es bei denn, daß die gemachten Erfahrungen der eigenen
Rechte erweisen würden,
sind übereingekommen, die nachstehenden gemeinsamen Regeln
zu beobachten, von denen übrigens die Bestimmungen der bestehenden allgemeinen
Verträge nicht berührt werden sollen und haben Ihren Bevollmächtigten ernannt
(Bezeichnung der Bevollmächtigten), welche usw. über folgende Bestimmungen
übereingekommen sind:
Art.1. Die Kriegsführenden sind verpflichtet, die Hoheitsrechte der
neutralen Mächte zu achten und sind in deren Gebiet und Gewässern jeder
Handlung zu enthalten, welche auf Seiten der Mächte, die sie dulden, eine
Verletzung ihrer Neutralität darstellen würde.
Art.2. Alle von Kriegsschiffen der Kriegsführenden innerhalb der
Küstengewässer einer neutralen Macht begangenen Feindseligkeiten, mit Einschluß
der Wegnahme und der Ausübung des Durchsuchungsrechts, stellen eine
Neutralitätsverletzung dar und sind unbedingt untersagt.
Art.3. Ist ein Schiff innerhalb der Küstengewässer eine neutralen
Macht weggenommen worden, so hat diese Macht, sofern sich die Prise noch in
ihrem Hoheitsbereiche befindet, die ihr zur Verfügung stehenden Mittel
anzuwenden, um die Befreiung der Prise mit ihren Offizieren und ihrer
Mannschaft herbeizuführen und die von dem Wegnehmenden auf die Prise gelegt
Besatzung bei sich festzuhalten.
Befindet sich die Prise außerhalb des Hoheitsbereiches der
neutralen Macht, so hat auf Verlangen dieser Macht die nehmende Regierung die
Prise mit ihren Offizieren und ihrer Mannschaft freizugeben.
Art.4. Von einem Kriegsführenden darf auf neutralen Gebiet oder auf
einem Schiffe in neutralen Gewässern kein Prisengericht gebildet werden.
Art.5. Den Kriegsführenden ist es untersagt, neutrale Häfen oder
Gewässer zu einem Stützpunkte für Seekriegsunternehmungen gegen ihre Gegner zu
machen, insbesondere dort funktelegraphische Stationen oder sonst irgend eine
Anlage einzurichten, die bestimmt ist, einen Verkehr einzurichten mit kriegsführenden
Land- oder Seestreitkräften zu vermitteln.
Art.6. Die von einer neutralen Macht an eine kriegführende Macht
aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar bewirkte Abgabe von
Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial ist untersagt.
Art.7. Eine neutrale Macht ist nicht verpflichtet, die für Rechnung
des einen oder des anderen Kriegsführenden erfolgende Ausfuhr oder Durchfuhr
von Waffen, von Munition sowie überhaupt von allen, was einem Heere oder einer
Flotte von Nutzen kann, zu verhindern.
Art.8. Eine neutrale Regierung ist verpflichtet, die ihr zur
Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um in ihrem Hoheitsbereich die
Ausrüstung oder Bewaffnung jedes Schiffes zu verhindern, bei dem sie triftige
Gründe für die Annahme hat, daß es zum Kreuzen oder zur Teilnahme an
feindlichen Unternehmungen gegen eine Macht, mit der sie im Frieden lebt,
bestimmt ist. Sie ist ferner verpflichtet, dieselbe Überwachung auszuüben, um
zu verhindern, daß aus ihrem Hoheitsbereich irgend ein zum Kreuzen oder
Teilnahme an feindlichen Unternehmungen bestimmtes Schiff ausläuft, das
innerhalb ihres Hoheitsbereiches ganz oder teilweise zum Kriegsgebrauche
hergerichtet worden ist.
Art.9. Eine neutrale Macht muß die Bedingungen, Beschränkungen oder
Verbote, die sie für die Zulassung von Kriegsschiffen oder Prisen der
Kriegsführenden in ihre Häfen, Reeden oder Küstengewässer aufgestellt hat, auf
beide Kriegsführenden gleichmäßig anwenden.
Doch kann eine neutrale Macht den Zutritt zu ihren Häfen und
ihren Reeden einem Kriegsschiffe untersagen, das sich den von ihr ergangenen
Aufforderungen und Anweisungen nicht gefügt oder die Neutralität verletzt hat.
Art.10. Die Neutralität einer Macht wird durch die bloße Durchfahrt
der Kriegsschiffe und Prisen der Kriegsführenden durch ihre Küstengewässer
nicht beeinträchtigt.
Art.11. Eine neutrale Macht darf zulassen, daß die Kriegsschiffe der
Kriegsführenden sich ihrer bestallten Lotsen bedienen.
Art.12. Sofern die Gesetzgebung der neutralen Macht nicht
anderweitige besondere Bestimmungen enthält, ist es den Kriegsschiffen der
Kriegsführenden, abgesehen von den in diesem Abkommen vorgesehenen Fällen,
untersagt, sich innerhalb der Häfen, Reeden oder Küstengewässer einer solchen
Macht länger als vierundzwanzig Stunden aufzuhalten.
Art.13. Erfährt eine Macht, die vom Beginne der Feindseligkeiten
benachrichtigt ist, daß sich innerhalb ihrer Häfen, Reeden und Küstengewässer
ein Kriegsschiff eines Kriegsführenden aufhält, so hat sie das Schiff aufzufordern,
binnen vierundzwanzig Stunden oder in der durch das Ortsgesetz vorgeschriebenen
Frist auszulaufen.
Art.14. Kriegsschiffe von Kriegsführenden dürfen ihren Aufenthalt in
einem neutralen Hafen über die gesetzliche Dauer hinaus nur aus Anlaß von
Beschädigungen oder wegen des Zustandes der See verlängern. Sie müssen
auslaufen, sobald die Ursache der Verzögerung fortgefallen ist.
Die Regeln über die Beschränkung des Aufenthalts innerhalb
neutraler Häfen, Reeden und Gewässer gelten nicht für Kriegsschiffe, die
ausschließlich religiösen, wissenschaftlichen oder menschenfreundlichen
Aufgaben dienen.
Art.15. Sofern die Gesetzgebung der neutralen Macht nicht
anderweitige besondere Bestimmungen enthält, dürfen sich höchstens drei
Kriegsschiffe zu gleicher zeit innerhalb eines ihrer Häfen oder einer ihrer
Reeden befinden.
Art.16. Befinden sich innerhalb eines neutralen Hafens oder einer
neutralen Reede gleichzeitig Kriegsschiffe beider Kriegsführenden, so müssen
zwischen dem Auslaufen von Schiffen des einen und des anderen Kriegsführenden
mindestens vierundzwanzig Stunden verflossen sein.
Die Reihenfolge des Auslaufens bestimmt sich nach der
Reihenfolge der Ankunft, es sei denn, daß sich das zuerst angekommene Schiff
in einer Lage befindet, wo die Verlängerung der gesetzlichen Aufenthaltsdauer
zugelassen ist.
Kriegsschiffe von Kriegsführenden dürfen einen neutralen
Hafen oder eine neutrale Reede nicht früher als vierundzwanzig Stunden nach dem
Auslaufen eines die Flagge ihres Gegners führenden Kauffahrtschiffs verlassen.
Art.17. Innerhalb neutraler Häfen und Reeden dürfen die
Kriegsschiffe von Kriegsführenden ihre Schäden nur in dem für die Sicherheit
ihrer Schiffahrt unerläßichen Maße ausbessern, nicht aber in irgendwelcher
Weise ihre militärische Kraft erhöhen. Die neutralen Behörde hat die Art der
vorzunehmenden Ausbesserungen festzustellen, die so schnell wie möglich
auszuführen sind.
Art.18. Die Kriegsschiffe von Kriegsführenden dürfen die neutralen
Häfen, Reeden und Küstengewässer nicht benutzen um ihre militärischen Vorräte
oder ihre Armierung zu erneuern oder zu verstärken sowie um ihre Besatzung zu
ergänzen.
Art.19. Die Kriegsschiffe von Kriegsführenden dürfen innerhalb
neutraler Häfen und Reeden nur so viel Lebensmittel einnehmen, um ihren Vorrat
auf den regelmäßigen Friedensbestand zu ergänzen.
Ebenso dürfen diese Schiffe nur so viel Feuerungsmaterial
einnehmen, um den nächsten Hafen ihres Heimatlandes zu erreichen. Sie können
übrigens das zur vollständigen Füllung ihrer eigentlichen Kohlenbunker
erforderliche Feuerungsmaterial einnehmen, wenn sie sich in neutralen Ländern
befinden, die diese Art der Bemessung des zu liefernden Feuerungsmaterial
angenommen haben.
Wenn die Schiffe nach den Gesetzen der neutralen Macht erst
vierundzwanzig Stunden nach ihrer Ankunft Kohlen erhalten, so verlängert sich
für die gesetzliche Aufenthaltsdauer um vierundzwanzig Stunden.
Art.20. Die Kriegsschiffe von Kriegsführenden, die in dem Hafen
einer neutralen Macht Feuerungsmaterial eingenommen haben, dürfen ihren Vorrat
in einem Hafen derselben Macht erst nach drei Monaten erneuern.
Art.21. Eine Prise darf nur wegen einer Seeuntüchtigkeit, wegen
ungünstiger See sowie wegen Mangels an Feuerungsmaterial oder an Vorräten in
einen neutralen Hafen gebracht werden. Sie muß wieder auslaufen, sobald die
Ursache, die das Einlaufen rechtfertigte, weggefallen ist. Tut sie dies nicht,
so muß, ihr die neutrale Macht eine Aufforderung zum sofortigen Auslaufen
zukommen lassen; sollte sie dieser nicht nachkommen, so muß die neutrale Macht
die ihr zur Verfügung stehenden Mittel anwenden, um die Befreiung der Prise mit
ihren Offizieren und ihrer Mannschaft herbeizuführen sowie um die von dem
Wegnehmenden auf die Prise gelegte Besatzung bei sich festzuhalten.
Art. 22. Die neutrale Macht muß ebenso sie Befreiung solcher
Prisen herbeiführen, die bei ihr eingebracht worden sind ohne daß die im
Artikel 21 vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen.
Art. 23. Eine neutrale Macht kann Prisen, sei es mir, sei es
ohne Begleitung, den Zutritt zu ihren Häfen und Reeden gestatten, wenn sie
dorthin gebracht werden, um bis zur Entscheidung des Prisengerichts in
Verwahrung gehalten zu werden. Sie kann die Prise in einen anderen ihrer Häfen
führen lassen.
Wenn die Prise von einem Kriegschiff begleitet wird, so sind
die von dem Wegnehmenden auf die Prise gelegten Offiziere und Mannschaften
befugt, sich auf das begleitende Schiff zu begeben.
Fährt die Prise allein, so ist die dem Wegnehmenden auf die
Prise gelegte Besatzung in Freiheit zu lassen.
Art.24. Wenn Kriegsschiffe von Kriegsführenden einen Hafen
wo sie zu bleiben nicht berechtigt sind, trotz der Aufforderung der neutralen
Behörde nicht verlassen, so hat die neutrale Macht das Recht, die ihr
erforderlich scheinenden Maßnahmen zu treffen, um ein solches Schiff unfähig
zu machen, während der Dauer des Krieges in See zu gehen; der Befehlshaber des
Schiffes soll die Ausübung dieser Maßnahmen erleichtern.
Werden Kriegsschiffe von Kriegsführenden durch eine neutrale
Macht festgehalten, so werden die Offiziere und die Mannschaften gleichfalls
festgehalten.
Die so festgehaltenen Offiziere und Mannschaften können auf
dem Schiff gelassen oder auf einem anderen Schiffe oder an Land untergebracht
werden; sie können beschränkenden Maßregeln, deren Auferlegung nötig erscheint,
unterworfen werden. Doch sind auf dem Schiffe immer die zu seiner
Instandhaltung notwendigen Leute zu belassen.
Die Offiziere können freigelassen werden, wenn sie sich
durch Ehrenwort verpflichten, das neutrale Gebiet nicht ohne Erlaubnis zu verlassen.
Art.25. Eine neutrale Macht ist verpflichtet, nach Maßgabe
der ihr zur Verfügung stehenden Mittel die erforderliche Aufsicht auszuüben, um
innerhalb ihrer Häfen, Reeden und Gewässer jede Verletzung der vorstehenden Bestimmungen zu verhindern.
Art.26. Die Ausübung dein in diesen Abkommen festgestellten
Rechte durch eine neutrale Macht darf niemals von dem einen oder anderen
Kriegsführenden, der die in Betracht kommenden Artikel angenommen hat, als
unfreundliche Handlung angesehen werden.
Art.27. Die Vertragsmächte werden einander zu gegebener
Zeit alle Gesetze, Verordnungen und sonstigen Bestimmungen über die Behandlung
der Kriegsschiffe von Kriegsführenden, in ihren Häfen und ihren Gewässern
mitteilen, und zwar mittels einer an die Regierung der Niederlande gerichteten
Benachrichtigung, die von dieser unverzüglich allen anderen Vertragsmächten
übermittelt wird.
Art. 28. Die Bestimmungen dieses Abkommens finden nur
zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegsführenden
sämtlich Vertragsparteien sind.
Art. 29-33. Schlußbestimmungen.