| |
Es gab viele Engländer und auch Deutsche, einschießlich vieler Angehöriger in
Hitlers nächster Umgebung, die die U-Boot-Waffe mehr als ein neuartiges Spielzeug als
ein erstzunehmendes Kampfmittel betrachteten. Um die U-Boote in den Brennpunkt der Betrachtung
zu bringen, plante Karl Dönitz eines besondere Aktion. Eine Aktion, die nicht unbedingt
England einen schweren taktischen Schlag zufügen, aber die Welt merken lassen würde,
dass nichts vor seinen U-Booten sicher war.
An einem Tag im September 1939 studierte
der Führer der U-Boote Karl Dönitz in seiner Kieler Befehlsstelle eine Seekarte mit
großem Maßstab. Sie zeigte in Blau und Weiß ein Gewirr von vielen großen
und kleinen felsigen Inseln, manche rund, manche langgestreckt. Es handelte sich um eine Karte
der Orkneys im Norden Großbritanniens. Zwischen zwei größeren Eilanden weitet
sich dort die See zu einer Bucht: Scapa Flow.
|
| Scapa Flow |
Wie Schildwachen liegen die öden Orkey-Inseln in der Zufahrt aus dem nördlichen
Atlantik zur Nordsee. Vor vielen Jahrzehnten schon hatte die Royal Navy die Bucht von Scapa Flow
zu einem der Hauptliegeplätze ihrer schweren Kampfschiffe gewählt. Von hier aus konnten
Schlachtschiffe und Kreuzer rasch in die Nordsee und die Deutsche Bucht, nach Norwegen, aber
auch in den Atlantik vorstoßen.
Scapa Flow war im Herbst 1939 einer der wichtigsten
Stützpunkte der britischen Flotte. Wenn es einem U-Boot gelang, sich in die Bucht zu
pirschen, musste es einen gewaltigen Schlag gegen die britische Macht zur See führen
können.
Karl Dönitz erinnert sich: 'Seit Kriegsbeginn trug ich mich immer wieder
mit dem Gedanken, eine U-Boot-Operation gegen Scapa Flow anzusetzten.'
Doch nahezu
unüberwindliche Schwierigkeiten standen einer U-Boot-Attacke auf die britische Flotte in
Scapa Flow entgegen. Dort ist die See selbst ein Feind jedes Angreifers, denn die Orkney-Inseln
sind ein Gebiet mit außerordentlich starken Gezeitenströmen. Bei Ebbe und Flut sind
gewaltige Wassermassen in Bewegung. Dort, wo Inseln und Klippen den Weg des Wassers einengen,
schwillt es zu einem reißenden Strom. Bei den Orkney-Inseln und in den Zufahrten von Scapa
Flow kann die Geschwindigkeit der Gezeitenströmung mehr als 10 Knoten (19 km/h) erreichen.
|
| Der starke Gezeitenstrom im Kirk Sound |
Ein U-Boot jener Tage jedoch konnte unter Wasser allenfalls eine Geschwindigkeit von etwas mehr
als sieben Knoten laufen, was bei weitem nicht genug war, um im Strom manövrieren zu können.
Ein Angriff gegen Scapa Flow musste also über Wasser gefahren werden.
In den
Einfahrten zu Scapa Flow vermutete Karl Dönitz zudem Sperren gegen jeden Eindringling.
Zum Beispiel Netze zum Abfangen von U-Booten, Minen, verankerte schwere Balken, verankerte
Sperrschiffe und natürlich Wachboote und Zerstörer, die Patroullie fahren. Der
Führer der U-Boote kam zu dem Schluß: 'Eine Operation gegen Scapa Flow schien das
kühnste aller kühnen Eindring-Unternehmen zu sein.'
In den ersten Wochen des
Krieges gegen England flogen Maschinen der deutschen Luftwaffe Aufklärung über Scapa
Flow. Auf einer Luftaufnahme vom 11.09.1939 konnte Karl Dönitz erkennen, dass in der
Bucht schwere Kriegsschiffe der Royal Navy vor Anker lagen. Ideale Ziele für einen U-Boot-Angriff.
Am 26.09.1939 erhielt Karl Dönitz weitere Luftaufnahmen von Scapa Flow. Sie zeigten in
gestochener Schärfe die Vorkehrungen, die Englands Marine gegen Eindringlinge getroffen hatte.
Der Führer der U-Boote suchte die Fotos Zentimeter für Zentimeter ab. Drei der vier
von der Nordsee aus erreichbaren Zugänge zur Bucht waren durch Sperren gesichert, die ein
U-Boot nicht überwinden konnte. Im Fahrwasser der vierten, der nördlichsten Einfahrt
hatten die Briten zwei Dampfer versenkt und ein Schiff verankert. Dönitz verglich Luftaufnahmen
und Seekarte. Er sah, dass zwischen den versenkten Schiffen und dem unpassierbaren Flachwasser
Lücken offengeblieben waren. Durch die hindurch konnte ein U-Boot in die Bucht hinein
vorstoßen. Allerdings musste der Kommandant des U-Bootes dabei eine seemännische
Meisterleistung vollbringen. An Steuerbord und Backbord blieben in der Durchfahrt kaum fünf
Meter Wasser. Auf der einen Seite reckten sich die Sperrschiffe und auf der anderen Seite lauerten
die Felsen. Jeder kleine Kursfehler im reißenden Strom konnte das Ende von Boot und Besatzung
bedeuten. Karl Dönitz entschloß sich zum Angriff auf Scapa Flow.
Zu jener Zeit,
da Dönitz eines der aufsehenerregendsten Unternehmen des Weltkrieges plante, hatte im Hafen
von Kiel das U-Boot U 47 festgemacht. Es war gerade
von seiner ersten Feindfahrt zurückgekehrt, bei der es drei Frachtschiffe versenkt hatte.
Der Kommandant des Bootes war Kapitänleutnant Günther Prien, 31 Jahre alt, verheiratet,
Vater von zwei Töchtern. Prien stammte aus Leipzig und war als Handelsschiffsoffizier zur
See gefahren, bevor er zur Kriegsmarine kam. Karl Dönitz kannte Prien schon seit einer Reihe
von Jahren.
Ende September 1939 fällte Dönitz einen Entschluss, der den
jungen Offizier zu einem der berühmtesten Seehelden der deutschen Geschichte machen sollte. 'Meine
Wahl für die Unternehmung gegen Scapa Flow fiel auf Kapitänleutnant Prien. Er hatte
nach meiner Ansicht die erforderlichen soldatischen Eigenschaften und seemännischen Fähigkeiten.'
|
| Günther Prien auf dem Wintergarten von U 47 |
Am 01.10.1939, einem Sonntag, ließ Dönitz Prien zu sich rufen und
legte ihm die Schwierigkeiten dar, die dem Vorstoß eines U-Bootes gegen die britische
Flottenbasis entgegenstanden. 'Ich stellte Prien frei, den Auftrag anzunehmen oder abzulehnen.
Seine Entscheidung wollte ich nicht vor Ablauf von 48 Stunden haben.'
Doch Kapitänleutnant
Prien brauchte nur 24 Stunden. Am Montag, dem 02.10.1939, erschien er wieder bei Dönitz und erklärte,
er werde den Auftrag annehmen. Kommodore und Kommandant erörterten dann den Zeitpunkt des Angriffs von
U 47 auf Großbritanniens Flotte in Scapa Flow. In weniger als zwei Wochen würden
zwei Ümstände zusammentreffen, die Priens Vorhaben begünstigten. In der Nähe vom
13. auf dem 14.10.1939 war Neumond. Es würde also völlige Finsternis herrschen, die das
U-Boot bei seiner Überwasserfahrt einhüllte. In dieser Nacht würde es zudem bei beiden
Stauwassern dunkel sein, was das Manövrieren in engen Durchfahrten erleichtert. (Stauwasser ist jener Zeitraum zwischen Ebbe und Flut, zu dem der Gezeitenstrom
für kurze Zeit zur Ruhe kommt.)
Am 08.10.1939 machte U 47 in Kiel die
Leinen los, durchfuhr den Nord-Ostsee-Kanal, die Elbmündung und nahm Kurs auf das rund 600 Seemeilen
(etwa 1100 km) entfernte Scapa Flow.
|
| U 47 läuft zur Unternehmung nach Scapa Flow aus Kiel aus. Auf der Brücke Günther Prien |
An diesem 08.10.1939 liefen auch Teile der deutschen Überwasser gegen England
aus. Das Schlachtschiff "Gneisenau", der Kreuzer "Köln" und neun Zerstörer. Der Flottenverband stieß
in die nördliche Nordsee vor.
Das Unternehmen Priens und die Aktion der "Gneisenau" hatten
keinen Zusammenhang. Dennoch hatte diese Operation der deutsche Überwasserschiffe weitreichende
Auswirkungen auf den Erfolg von U 47, denn ein britische Aufklärungsflugzeug
entdeckte den deutschen Verband. Daraufhin machten schwere britische Einheiten der Flotte Dampf und
verließen mit dem Ziel die deutsche Schiffe zu stellen ihre Liegeplätze in Scapa Flow.
Die Bucht von Scapa Flow war plötzlich leer. Zu den britischen Schiffen, die unter dem
grauen Himmel der Nordsee nach dem deutschen Flottenverband suchten, gehörte das Schlachtschiff
"HMS Royal Oak", eines der mächtigsten Schiffe der britischen Flotte.
|
| Das britische Schlachtschiff "HMS Royal Oak" |
Die Briten fanden die deutschen Schiffe in diesen Tagen nicht, denn die "Gneisenau" und ihre
Begleitschiffe gingen am 09.10.1939 auf Südkurs und waren am 10.10.1939 zurück in Kiel.
Die britischen Schiffe liefen ebenfalls zurück. Jedoch nahm nur ein Teil der Großkampfschiffe
Kurs auf Scapa Flow. Unter ihnen auch die "HMS Royal Oak". Doch schon in der folgenden Nacht
rückten die meisten der schweren britischen Einheiten wieder aus Scapa Flow aus. Zurück in
der weiten Bucht blieb die "HMS Royal Oak"
Unterdessen schlich U 47 an sein Ziel heran.
Am 13.10.1939 stand das Boot knapp östlich der Zufahrten zu Scapa Flow. Prien hatte U 47
für die Stunden des Tageslichts auf den weichen Sandgrund der Nordsee legen lassen, die an dieser
Stelle etwa 90 Meter tief ist. Die Besatzung schlief sich noch einmal richtig aus. Um 17:00 Uhr aßen
die Männer von U 47 Suppe, Kasseler Rippenspeer, Kartoffeln und Grünkohl.
Danach ließ Prien die Torpedos in Ladestellung hinter die Rohre bringen. An mehreren stellen
des Bootes wurden Sprengkörper befestigt, die das Boot versenken sollten, wenn es aufgegeben
werden sollte. Die erste Phase des Angriffs von U 47 auf Scapa Flow hatte begonnen. In seinem
Kriegstagebuch vermerkte der Kommandant: 'Die Moral der Besatzung ist hervorragend'.
Um 19:15 befahl Prien: 'Auftauchen'. Wenig später schob sich der dunkle Leib des Bootes
gurgelnd und schäumend an die Oberfläche des Meeres. Aus Nordosten wehte ein leichter
Wind. Er warf kleine Wellen auf. Zeitpunkt und Bedingungen für die Attacke schienen in der
Tat so günstig, wie Dönitz und Prien es angenommen hatten. Aber in einem Punkt hatten
sie sich geirrt, denn die Nacht war keineswegs dunkel. Über dem gesamten nördlichen
Horizont stand ein fahler Schein. Polarlicht. (Eine nur in hohen Breiten der Erde zu beobachtende
Himmelserscheinung.) Prien schrieb in sein Kriegstagebuch: 'Gespenstisch wie Theaterkulissen stehen
die Sperrschiffe in den Einfahrten.'
U 47 nahm jetzt, dreißig Minuten vor Mitternach,
am Freitag, dem 13.10.1939, Kurs auf die nördliche Einfahrt von Scapa Flow, auf die Lücke,
die Karl Dönitz auf den Luftfotos entdeckt hatte.
Kapitänleutnant Günther Prien
gab vom Turm des Bootes aus Befehle für Ruder und Maschinen. Vor ihm ragte der dunkeldrohende
Schatten eines der Sperrschiffe empor, mit denen die Briten die Einfahrt gegen Eindringlinge
gesichert hatten. U 47 näherte sich dem Hindernis mit hoher Geschwindigkeit. Der
Gezeitenstrom ging in die Bucht. Dann plötzlich ein Augenblick, in dem der Kommandant
von U 47 befürchtete, das Unternehmen könnte scheitern, bevor es noch richtig begonnen
hatte, denn vom Sperrschiff in der Einfahrt ragte eine schwere Kette schräg nach vorn zu Anker
im Grund. Sie engte den Raum für U 47 auf ein Minimum ein. Bei Versuch, der Kette
auszuweichen, plötzlich ein harter Schlag, Schurren und das Kreischen von Metall. U 47 war
auf den felsigen Grund geraten. Prien befahl die mit Wasser gefüllten Tauchzellen des Bootes
mit Preßluft auszublasen. Das Boot hob sich daraufhin und kam frei, das Heck schlug gegen
die Ankerkette des Sperrschiffs. Aber dann drehte der Bug von U 47 auf den alten Kurs zurück.
Prien beugte sich über das Sprachrohr im Turm und sagte, so dass jeder der Männer
seiner Besatzung im Innern des Bootes es hören konnte: 'Wir sind in Scapa Flow!' Ein paar
Seemeilen entfernt, von U 47 schliefen zu diesem Zeitpunkt mehr als tausend Männer,
über die wenige Minuten später aus dem Dunkel der Nacht Entsetzen und vielhundertfacher
Tod kamen.
|
| Der Weg von U 47 in die Bucht von Scapa Flow (Link) |
Es war jetzt kurz vor halb eins am 14.10.1939. U 47 stieß weiter
in die Bucht von Scapa Flow hinein. Im Turm des Bootes Kapitänleutnant Prien und die Männer
der Brückenwache. Sie alle preßten Nachtgläser an die Augen und suchten nach britischen
Schiffen.
Die Sichtverhältnisse waren ausgezeichnet. Polarlicht stand hoch über dem
nördlichen Horizont. Günther Prien schrieb in das KTB: 'Es ist widerlich hell. Die ganze Bucht
ist fabelhaft zu übersehen.' Auf der Uferstraße konnten die Männer von U 47 einen
späten Radfahrer beobachten. Er sah das deutsche U-Boot nicht. Dann hob sich plötzlich die
Silhouette eines Schiffes aus dem Dunkel. Es war eines der britischen Wachboote, die Scapa Flow
Einfahrten gegen einen Überfall des deutschen Feindes schützen sollten. Die Briten
bemerkten den deutschen Eindringling nicht.
U 47 fuhr weiter in die Bucht hinein,
lauernd, jeden Augenblick auf einen Angriff gefaßt. Die Männer im Turm suchten
jetzt systematisch die Bucht ab. Aber sie entdeckten nicht, was sie erwartet hatten, denn die
Bucht, so schien es, war leer.
Scapa Flow, dieser Hauptliegeplatz der britischen Flotte,
schien tatsächlich von Schiffen geräumt zu sein. Ausgerechnet in der Nacht, in der es
zum ersten Mal in der Geschichte einem Feind gelungen war, die Sperren zu überwinden und in dieses
Zentrum britischer Seemacht vorzudringen.
Es war jetzt kurz vor ein Uhr. Seit einer halben
Stunde durchfurchte U 47 die Gewässer von Scapa Flow. Die Männer der Brückenwache
suchten weiter. Prien ließ das Boot auf einen Kurs legen, der es auf die nördliche
Küste zuführte. In den Gläsern der Deutschen zeichnete sich das Steilufer ab, auf dessen
Höhe die Ortschaft St. Marys in tiefer Ruhe lag.
Prien drehte das Boot auf nordwestlichen
Kurs. Plötzlich, von einem Augenblick zum anderen, erlosch das Polarlicht. Die Bucht lag in tiefer
Dunkelheit. Allmählich hellte sich der Himmel wieder auf, und in dieser Sekunde erkannte
einer der Männer im Turm eine schwarze Masse, die noch einen Hauch dunkler war als der Schatten
des Steilufers.
U 47 war ungefähr 4.000 Meter von ihr entfernt. Das Boot lief
auf den Schatten zu. Prien starrte durch sein Glas. Bald konnte der im Dunkeln einen Umriß
erkennen, ein Schlachtschiff, die "HMS Royal Oak"
U 47 rückte näher heran. Und
dann sahen die Männer im Turm ein zweites großes Schiff hinter dem ersten liegen.
Prien hielt dieses Schiff für den Schlachtkreuzer "HMS Repulse", mächtiger noch als
die "HMS Royal Oak". Dieses zweite Schiff wurde zu seinem größten Teil von dem Schiff
im Vordergrund abgedeckt.
U 47 stand jetzt 3.000 Meter von den britischen Schiffen
entfernt. Prien brachte sein Boot in Schußposition auf das im Vordergrund liegende Schlachtschiff
und gab Befehle für das Torpedopersonal. Die Torpedos sollten die feindlichen Schiffe in einer
Tiefe von 7.5 Metern treffen.
Noch immer lag die Bucht von Scapa flow still da. Dann
die Befehle des Kommandanten: 'Rohr eins los! Rohr zwei los!' Mit leichtem Ruck verließen die
Torpedos ihre Rohre. Mit einer Geschwindigkeit von 30 Knoten trugen sie jeweils 350 kg
Sprengstoff an ihre rund dreieinhalb Minuten entfernten Ziele heran.
Während die
ersten zwei Torpedos schon liefen, ließ Prien U 47 nach Steuerbord drehen. Jetzt
zeigten die Torpedorohre des Bootes in gerader Linie auf den Bug des zweiten britischen Schiffes.
'Rohr drei los!' 'Rohr vier los!' befahl der Kommandant. doch nur der Torpedo in Rohr drei
löste sich, der in Rohr vier blieb stecken.
U 47 lief unterdessen ab und nahm
Kurs auf den Ausgang der Bucht. Die Uhr lief. Doch es geschah nichts. Dann doch eine Explosion,
eine Wassersäule, offenbar am Bug des entfernt liegenden Schiffes, vielleicht aber auch an der
Ankerkette der "HMS Royal Oak". Nur ein Torpedo hatte funktioniert, zwei der Torpedos hatten
versagt.
die Detonation erschütterte auch die "HMS Royal Oak". Captain R. F. Nichols,
der erste Offizier des Schlachtschiffes, erinnerte sich: 'Ich ging an Deck, aber niemand konnte mir
sagen, was geschehen war. In dem schwachen Nordlicht konnte ich die Umrisse des Landes gegen den
Himmel und die über das Deck laufenden Männer sehen, aber nicht genau erkennen.'
Captain Nichols stieg zurück unter Deck. Dort traf er auf den Kommandanten der "HMS Royal Oak",
Captain William Gordon Benn. Der Kommandant war der Ansicht, dass sich innerhalb des Schiffes
eine leichte Explosion ereignet hatte, vielleicht in der Farbenlast, dem Raum, wo Ölfarben,
Rostschutz- und Reinigungsmittel gelagert wurden.
Konteradmiral Henry Blagrove, Befehlshaber
des 2. britischen Schlachtgeschwaders und in dieser Nacht zu Gast an Bord der "HMS Royal Oak",
stimmte der Ansicht des Kommandanten zu. Keiner der beiden glaubte in diesem Augenblick an einen
Torpedotreffer. Ein britischer Matrose erhielt den Befehl, augesüstet mit einer Rauchmaske in die
Farbenlast hinunterzusteigen und nach der Ursache der Explosion zu forschen. Auf anderen britischen
Schiffen in der Bucht von Scapa Flow war die Explosion ebenfalls wahrgenommen worden, aber niemand
hatte sie mit dem Treffer eines deutschen U-Bootes in Verbindung gebracht. Zerstörer und Wachboote
blieben an ihren Plätzen.
|
| Die "HMS Royal Oak" 1936 |
Prien ließ unterdessen das Boot zu einem zweiten Angriff
klarmachen. Die Männer die Torpedorohre nach. U 47 drehte nach Steuerbord und lief
wieder mit hoher Geschwindigkeit auf die "HMS Royal Oak" zu.
Und wieder der Befehl des
Kommandanten: 'Rohr eins los!' 'Rohr zwei los!' 'Rohr vier los!'. Es war 22 Minuten nach ein Uhr
am 14.10.1939.
U 47 drehte wieder ab. Der Kommandant beobachtete durch sein Glas das
Schlachtschiff, dessen Umrisse sich jetzt deutlich von den Felsen im Hintergrund abhoben.
Dann kurz hintereinander drei schwere Detonationen, drei riesenhafte Wassersäulen. Eine in der
nähe des Bugs der "HMS Royal Oak", eine mittschiffs, eine am Geschützturm achtern. Rollend
hallte der Explosionsdonner von den Felsenhängen der Bucht wider. Und dann stand über der
"HMS Royal Oak" plötzlich eine dicke, schwarze Wolke.
Prien notierte über diesen
Augenblick, der sich ihm bot: 'Da rollt, knallt, bumst und rummelt es gewaltig. Feuersäulen,
Brocken fliegen durch die Luft.'
Einer der Torpedos hatte eine der Munitionskammern des
Schlachtschiffes getroffen. Die explodierenden Granaten rissen riesige Stücke von Stahl
aus Rumpf und Deck und aus den Geschütztürmen.
Feuer fauchte durch die Leitungen
und die Öffnungen des Lüftungssystems, meterhohe Flammen schlugen den Männern entgegen,
die sich zu retten versuchten. Dann erlosch des Feuer und ließ die Besatzung der "HMS Royal Oak"
in der Dunkelheit zurück. Jeder, der noch im riesigen Rumpf des Schlachtschiffes lebte, fühlte,
dass die "HMS Royal Oak" sinken würde. Der Erste Offizier Nichols berichtete: 'Alle
Lichter gingen aus, und das Schiff nahm sofort Schlagseite von 35 Grad nach Steuerbord an. Wir hatten
keinen elektrischen Strom mehr, um die größeren Boote auszusetzen, und wegen der zunehmenden
Krängung des Schiffes wurde es in der dunklen Nacht auch immer schwieriger, die kleineren
Boote zu handhaben. In fast völliger Dunkelheit warfen der Kommandant und ich mit Unterstützung
einer Reihe von Besatzungsangehörigen so viel Rettungsmaterial über Bord, wie wir finden konnten.'
Im Innern des torpedierten Schiffes kämpften Matrosen um ihr Leben vor geschlossenen Luken
aus schwerem Panzerstahl, die von Motoren bewegt wurden und sich jetzt nicht öffnen ließen.
Das Deck der "HMS Royal Oak" neigte sich weiter der Oberfläche des Wassers zu. Auch durch die
Bullaugen an Steuerbord strömte jetzt Wasser in das Schiff. Einige der Männer schafften es, durch
die Bullaugen an Backbord auf dem Rumpf zu klettern. Doch sie fürchteten sich davor, ins Wasser
zu springen. Die See war jetzt, im Herbst, kaum noch zehn Grad warm, und das Ufer war mehr als
einen Kilometer entfernt.
Den Männern der "HMS Royal Oak" blieb nicht viel Zeit.
13 Minuten nach der Detonation der von U 47 geschossenen Torpedos kenterte das Schlachtschiff.
Einer der Männer, die sich retten konnten, berichtete: 'Was mich am meisten erstaunte, war der
gewaltige Lärm. Es hörte sich an, wie wenn eine große Schüssel voll Bolzen und
Muttern langsam umgekippt wird. Die gelagerten Granaten müssen sich losgerissen haben, wohl auch
anderes Gerät, so dass für die Menschen, die noch im Schiff waren, keinerlei Hoffnung mehr
bestand. Es muß entsetzlich gewesen sein.'
Das Schlachtschiff drehte seinen Kiel
himmelwärts und sank dann auf den Grund der an dieser Stelle rund 30 Meter tiefen Bucht. In diesen Minuten
starben im eigenen Hafen 833 Offiziere und Mannschaften der Royal Navy, von Explosionen zerrissen, vom Feuer
verbrannt, in den Räumen des riesigen Schiffes ertränkt.
Als sich die "HMS Royal Oak"
auf die Seite legte und sank, steuerte U 47 schon mit Höchstgeschwindigkeit der Einfahrt
entgegen, durch die es hereingeschlüpft war. Aber jetzt schien das Boot nicht ungesehen
davonkommen zu können. An Bord der Schiffe in der Bucht von Scapa Flow und an Land war Alarm
ausgelöst worden. Überall blinkten Lampen auf Morsezeichen zur Verständigung von Schiff zu
Schiff und vom Schiff zum Ufer. Scheinwerfer suchten den Himmel über der Bucht nach deutsche
Flugzeugen ab. Ihre Lichtbündel strichen auch über das Wasser, durch das U 47 dahinrauschte.
Britische Zerstörer und Wachschiffe machten von ihren Liegeplätzen los und fahndeten
in der Bucht nach dem Feind.
Unterdessen stand U 47 bereits in der Nähe der Einfahrt.
Starker Gezeitenstrom setzte dem Boot entgegen und verlangsamte seine Fahrt bis zum völligen
Stillstand. Prien notierte über diesen Augenblick: 'Ich stehe auf der Stelle.' Das Boot
konnte nicht genau den gleichen Weg wählen, den es gekommen war, denn das Wasser war gefallen und der
Manövrierraum zwischen den Sperrschiffen im Norden und dem Ufer war zu eng geworden.
Es
war dies der Augenblick, da sich das Kriegsglück plötzlich gegen U 47 und seine
Besatzung zu wenden schien. Aus dem Halbdunkel wuchs ein Schatten rasch auf U 47 zu. es handelte sich
um einen Zerstörer. Das britische Kriegsschiff kam näher und schaltete einen Scheinwerfer
ein, dessen Licht über das tiefdunkle Wasser strich.
Die Deutschen auf der Brücke
von U 47 starrten in die graue Masse des Kriegsschiffes, aus der heraus jeden Augenblick
das Mündungsfeuer der Artillerie hervorbrechen konnte.
Der Zerstörer schaltete
seinen Suchscheinwerfer ab und ein Morsescheinwerfer blinkte auf. Rief er das U-Boot an? U 47 preschte
weiter. Dann drehte der Zerstörer plötzlich ab. die Männer auf der Brücke
von U 47 blickten ihm nach, bis die Dunkelheit über dem Wasser ihn verschluckt hatte.
U 47 stand jetzt in der südlichen Lücke innerhalb der Sperren der Einfahrt. Und
ein weiteres Mahl drohte die Operation zu scheitern. Vor U 47 hob sich plötzlich die
Mauer einer Mole aus dem Meer. Mit vielen Schrauben- und Rudermanövern wischte das Boot knapp
an ihr vorbei. Dann stampfte es in die freie Nordsee hinaus. Es war jetzt 02:15 Uhr am 14.10.1939.
Kapitänleutnant Günther Prien hatte das von Karl Dönitz geplante 'kühnste aller
kühnen Eindring-Unternehmen' zu Ende gebracht.
|
| Engelbert Endrass´s "Stier von Scapa Flow" |
U 47 steuerte südöstlich
in Richtung Heimat. Im Nordwesten konnte der Kommandant noch lange den Widerschein der Scheinwerfer
von Scapa Flow erblicken. Dumpfe Schläge drangen über das Meer. Es waren die Schläger
explodierender Wasserbomben. Immer noch suchten die Briten nach dem Feind, der ihnen in ihrem Hafen
einen so schweren Schlag versetzt hatte.
Um 06:30 Uhr an diesem Morgen des 14.10.1939 gab Prien den
Befehl, zu tauchen. Während des ganzen Tages lag U 47 auf dem Grund der Nordsee. Bei Dunkelheit
marschierte das Boot weiter nach Süden. Am Abend dieses 14.10. hörte Prien in einer
britischen Rundfunksendung die erste Meldung über seinen Erfolg. Die Admiralität in London
gab bekannt, das Schlachtschiff "HMS Royal Oak" sei vermutlich einer U-Boot-Aktion zum Opfer gefallen
und gesunken.
Von einem zweiten Schiff, das U 47 in der Bucht von Scapa Flow torpediert
hatte, war in dieser Radiomeldung nicht die Rede. Prien stezte am nächsten Morgen einen Funksprung
an den Führer der U-Boote, Karl Dönitz ab: 'Unternehmung planmäßig durchgeführt.
Royal Oak versenkt. Repulse beschädigt.'
In einem Punkt irrte Prien, denn das Schiff,
das hinter der Royal Oak vor Anker gelegen hatte, war nicht der Schlachtkreuzer "HMS Repulse", sondern
die "HMS Pegasus", ein Mutterschiff für Wasserflugzeuge. Die "HMS Repulse" stand in dieser
Nacht in See. Die "HMS Pegasus" wurde von dem Angriff des deutschen U-Bootes nicht betroffen.
Sie blieb unbeschädigt. (Dies ist der Stand der offiziellen deutschen wie der britischen
Geschichtsschreibung.) Am 17.10.1939 morgens um 11:00 Uhr, rund 80 Stunden nach dem
Angriff auf Scapa Flow, lief U 47 in die dritte Einfahrt des Hafens von Wilhelmshaven ein.
Den Turm des Bootes Schmückte ein seltsames Emblem, ein mit weißer Farbe auf das Grau
gepinselte Bild, das einen angreifenden Stier zeigt. Es war aus einer Laune heraus vom Ersten
Wachoffizier des Bootes, Oberleutnant zur See Engelbert Endraß gemalt worden. Von nun an hieß
Prien der "Stier von Scapa Flow".
|
| U 47 läuft nach der Versenkung der "HMS Royal Oak" in Kiel ein und wird gerade vom Kreuzer "Emden" begrüßt |
Am Kai von Wilhelmshaven warteten Großadmiral
Erich Raeder, Oberbefelhshaber der Kriegsmarine, und Karl Dönitz, Führer der U-Boote auf
die Männer, die es unternommen hatten, Großbritanniens Flotte in deren eigenem Hafen anzugreifen.
Die beiden Befehlshaber stiegen an Bord von U 47. Günther Prien wurde mit dem Eisernen
Kreuz Erster Klasse und jedes Mitglied seiner Besatzung mit dem Eisernen Kreuz Zweiter Klasse
ausgezeichnet.
|
| Erich Raeder und Karl Dönitz begrüßen Günther Prien |
Auf dem stählernen Deck des siegreichen Bootes U 47 gab Raeder
anschließen bekannt, dass der Kapitän zur See Karl Dönitz zum Konteradmiral
befördert sei.
Besatzung und Kommandant von U 47 wurden tags darauf mit einer
Sondermaschine nach Berlin geflogen. In den Straßen, durch die die Autos mit den U-Boot-Fahrern
vom Flughafen Tempelhof zur Reichskanzlei fuhren, standen Tausende von Menschen Spalier. Sie warfen
Blumen und Schokolade in die offenen Fahrzeuge. In der Reichskanzlei erhielt Günther Prien
aus Hitlers Händen das Ritterkreuz. Außerdem nahm die Besatzung von U 47 an einem
Mittagessen mit Hitler teil.
|
| Die Besatzung von U 47 auf dem Weg zu dem Treffen mit Hitler |
Prien nötigte dem Feind Respekt ab. Der britische
Marinehistoriker Stephen W. Roskill urteilte: 'Diese Unternehmung war von Admiral Dönitz
selbst sorgfältig geplant worden, der die schwachen Stellen in den Sperren genau erkannte.
Kapitänleutnant Prien verdient höchste Anerkennung für seinen Mut und die Entschlossenheit,
mit der er die Planung von Dönitz ausführte.'
Großbritanniens Kriegspremier
Winston Churchill schrieb in seinem Werk über den zweiten Weltkrieg zum Angriff von U 47:
'... eine Katastrophe, welche die Admiralität an einer höchst empfindlichen Stelle
traf. Diese Episode, die eine beachtenswerte Waffentat des deutschen U-Boot-Kommandanten darstellt,
versetzte die öffentliche Meinung in lebhafte Erregung.'
Seine größte
Wirkung aber übte das Unternehmen das Kapitänleutnants Günther Prien in Deutschland
aus. Sein Einsatz gegen Englands Flotte beseitigte Vorbehalte gegen die U-Boote.
Großadmiral Erich Raeder notierte am 14.10.1939, nachdem die Versenkung der "HMS Royal Oak"
gemeldet worden war: 'Der Verlust der "HMS Royal Oak" ... trifft England im gegenwärtigen Augenblick
... besonders schwer. Der Erfolg schädigt in hohem Maße das englische Prestige bei
den Neutralen und erhöht die Achtung vor der deutschen Schlagkraft. Im deutschen Volke stärkt
er in gleicher Weise wie die Erfolge unseres U-Boot-Handelskrieges das Ansehen der Kriegsmarine
und weckt die Liebe zur jungen deutschen U-Boot-Waffe.'
Karl Dönitz hatte es geschafft:
- DIE U-BOOTE WAREN DA!!!!! -
|
|
|